Biographie
Marieluise Fleißer (1901-1974)
Als Luise Marie Fleißer wird die Tochter des Zeugschmieds und Eisenwarenhändlers Heinrich Fleißer in der Kupferstraße 18 in Ingolstadt am 22. November 1901 geboren. Schon in der Volksschule und anschließend in der Töchterschule des Klosters Gnadenthal fällt sie durch außergewöhnliche Begabung und Fantasie auf.
Das Abitur legt sie als klösterliche Internatsschülerin am Mädchenrealgymnasium der Englischen Fräulein in Regensburg ab. Die Erlebnisse dort finden sich in einigen ihrer Werke wieder. Nach der Schulzeit beginnt Marieluise Fleißer in München u. a. Theaterwissenschaft zu studieren. Das Studium endet ohne Abschluss 1924, da sie schon zu schreiben begonnen hatte. In München lernt sie zwei wichtige Literaten der damaligen Zeit kennen, Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht, die von da an entscheidenden Einfluss auf ihre schriftstellerische Entwicklung nehmen. Bald macht sie sich als Dramatikerin einen Namen. 1926 wird Fegefeuer in Ingolstadt in Berlin uraufgeführt.
1928 folgt Pioniere in Ingolstadt in Dresden. Dieses Stück wird Marieluise Fleißer ein Jahr später zum Verhängnis. Brecht mischt sich in die Regie ein und macht daraus eine politische Provokation. Die junge Fleißer gilt seither in ihrer Heimatstadt als "Nestbeschmutzerin". Nach dem Bruch mit Brecht und zwei gelösten Verlobungen heiratet sie 1935 nach ihrer endgültigen Rückkehr in die Heimatstadt ihren Jugendfreund und ersten Verlobten Bepp Haindl, der Tabakwarengroßhändler ist und in Ingolstadt ein Geschäft betreibt.
1929 erscheint Marieluise Fleißers Novellenband Ein Pfund Orangen. 1929/30 schreibt sie ihr drittes Stück Der Tiefseefisch. Darin beschreibt sie ihr Leben mit Brecht und ihrem zweiten Verlobten Hellmut Draws-Tychsen. Ihre Haupteinnahmequelle sind kleine Erzählungen, die sie in Zeitungen veröffentlicht.
Ende 1931 publiziert sie ihren einzigen Roman Mehlreisende Frieda Geier (später Eine Zierde für den Verein), in dem sie die Liebesgeschichte einer emanzipierten Frau der Weimarer Zeit beschreibt. Während ihrer Ehe muss Marieluise Fleißer im Geschäft ihres Mannes arbeiten, so dass nach 1935 nur mehr wenige Werke entstehen.
1944 beendet sie das vierte, historische Stück Karl Stuart.
1945 vollendet sie das Stück Der starke Stamm. 1950 sieht sie Bertolt Brecht in München wieder. Dieser vermittelt ihr neues Stück an die Kammerspiele in München, eine Hörfunkbearbeitung und eine Fernsehaufzeichnung folgen. Nun kann sie allmählich an ihre früheren Erfolge anknüpfen und erhält entsprechende Auszeichnungen, unter anderem den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland 1964. Nach mehreren Texten über die Kriegs- und Nachkriegszeit erscheint 1963 der Erzählungsband Avantgarde, dessen Titelgeschichte eine persönlich gefärbte Charakteristik des jungen Brecht darstellt.
Ende der sechziger Jahre werden die Stücke Marieluise Fleißers durch die jungen Dramatiker Rainer Werner Fassbinder, Franz Xaver Kroetz und Martin Sperr neu entdeckt. Es kommt ab 1971 zu einer ganzen Reihe von Aufführungen, vor allem von Fegefeuer in Ingolstadt. Schließlich gibt der Suhrkamp-Verlag 1972 die Gesammelten Werke (3 Bände) heraus. Am 2. Februar 1974 stirbt Marieluise Fleißer in Ingolstadt. Posthum folgen 1989 der 4. Band aus dem Nachlass und zum hundertsten Geburtstag 2001 der 5. Band mit Briefen.
Nicht nur im deutschsprachigen Raum werden Fleißers Werke rezipiert und aufgeführt, sondern auch in Europa und Übersee, so dass bereits Ausgaben in diversen Fremdsprachen vorliegen.